Havanna (18. - 23. Juni 2014)

Erste Eindrücke

Wir hatten ein technisch sehr rückständiges Land erwartet, vielleicht Ähnlichkeiten mit Burma/Myanmar, das ja auch noch unter einem Handelsembargo litt, als wir es 2006 bereisten. Die erste Bleibe in Havanna ein sog. Casa Particular hatten wir per Email kontaktiert, es gibt also Internet, aber nicht für jeden Kubaner zugänglich (die Stunde kostet 6 Dollar pro Stunde in großen Hotels). Die Wirtsleute hatten uns eine Abholung vom Flughafen organisiert, der Fahrer sorgte mit kubanische Salsaklängen für die richtige Einstimmung und wir fuhren in einem uralten Lada, bei dem die gesamte Innenverkleidung fehlte und eine Kurbel fürs Fenster bei einsetzendem Regen 'rumgereicht wurde, über holprige, nicht allzu volle Straßen. Vorbei ging es an dem einen oder anderen röhrenden Uraltlaster, einigen wenigen moderner wirkenden (Miet-)autos und vielen übergroßen Propagandatafeln mit Sprüchen von Fidel oder Raul, dem Konterfei von Ché oder Abbildungen der Nationalhelden vorm Stadion: Sportler, die fürs Vaterland Medaillen errungen hatten.

Bei der Ankunft im Zentrum von Havanna waren wir ein wenig überrascht, da die Nachbarschaft doch eher schmuddelig, fast wie ein Slum wirkte: Schutthaufen auf den Straßen, alte heruntergekommene, baufällige Häuser, die Menschen saßen auf der Straße neben brodelnden Suppen in riesigen Töpfen auf eine Kohlefeuerchen, gleich neben dran verkaufte der Metzger das Fleisch aus einer rostigen Fensterlade, ungekühlt und den Fliegen ausgesetzt (ok, nix Ungewöhnliches in Lateinamerika). Aber der Empfang von José und Lurdes im Casa Particular war sehr herzlich, das Zimmer sehr sauber, mit modernem kleinen Bad mit Heißwasser und eine Klimaanlage, besser also als so einige Zimmer im restlichen Lateinamerika und für 20 Dollar im Vergleich auch eher günstig.

 

Bereits am ersten Abend entdeckten wir ein kleines Restaurant in unserer Straße für Einheimische mit Preisen in Moneda National (MN), das „Comida Criolla“ anbot. Ja, es gibt in Kuba lästigerweise zwei Währungen, den CUC (Peso Convertible), der dem Dollar 1:1 entspricht und den CUP, das Moneda National (MN), wobei wir im Casa de Cambio, also in der Wechselstube 24 MN für 1 CUC bekamen. Und das Essen (ein große Portion Reis mit Bohnen, ein wenig Rohkost und etwas Fleisch) kostete dann gerade mal 30 MN, weniger als 1 Euro. Kuba schien doch nicht so teuer wie befürchtet.

 

In den folgenden Tagen gewöhnten wir uns an den Schuttlook und die Gegensätze, in Havanna eher der Normalzustand. Da steht ein wunderschön renoviertes Haus/Hotel neben einer Abrissruine, das Kapitol und das Gran Teatro neben dran sind in Baugerüste gehüllt. Neben den liebevoll restaurierten Plymouths, Buicks, Cadillacs usw. aus den 50igern für eine Stadtrundfahrt mit den Touris, fahren genauso alte, stinkende Rostschüsseln als Sammeltaxis für die Einheimischen und ziehen dichte, schwarze Rußwolken hinter sich her.

In der Fußgängerzone in Habana Vieja, der Altstadt, ist die Touristendichte hoch, d.h. dort lauerten mit Speisekarten winkende Aufreißer, die z.T. aufdringlichst versuchten einen in ein Restaurant mit Speisen von 8-10 Dollar zu manövrieren, wo es natüüürlich kubanische Live-Musik gab und ganz klar den besten Mojito der Stadt und ein „no, gracias“ reichte zum Abwimmeln manchmal nicht aus. Kaum blieb Thomas vor einem Zigarrenladen stehen, kamen schon die angeblichen Tabakfabrikarbeiter, die im Hinterzimmer die Cohibas, Montecristos und Romeo y Juliettas viiiel billiger anboten, aber alles Originale selbstverständlich. An jeder Ecke der „Taxi, Taxi“-Ruf der Bici-Taxis (ein- oder zweisitzige Fahrradtaxis), an jeder Kreuzung die der motorisierten Taxifahrer. Nervig, aber wir ließen uns nicht davon abhalten, die Touristenrunde zu drehen, vorbei am Plaza de Armas mit den Verkaufsständen von antiken Büchern, dem Fort und dem offensichtlich mit vielen Geldern aus dem Ausland restaurierten Plaza Vieja.

 

Am Platz der Revolution hieß es mal wieder „roto“. Diesem Wort sollten wir immer mal wieder begegnen, beispielsweise wenn als Grund für den geschlossenen Metzger-Laden auf einem mit Klebeband an der Tür befestigten Zettel stand: „Frio roto“ (Kühlung kaputt), oder auch in einer Snackbar „Horno roto“: der Ofen war kaputt. Und der Aufzug auf das Denkmal am Revolutionsplatz war eben auch „roto“, wahrscheinlich wären wir sowieso zu geizig gewesen um den Eintritt dafür zu zahlen, denn da langen die Kubaner bei den Ausländern in kapitalistischen Ausmaßen zu, ob Museum der Revolution oder die Nekropolis Colon, ein riesiger Friedhof, wir waren nicht bereit, die verlangten CUCs hin zu blättern.

 

Wandmalerei vorm El Luzero
Wandmalerei vorm El Luzero

Der Nationalsport in Kuba ist Baseball. Grad war aber keine Saison und alle Fußballspiele der WM in Brasilien wurden im öffentlichen Programm übertragen, nein, kein Witz. Unglaublich in wie vielen Wohnzimmern das Spiel auf dem grünen Rasen über große Flachbildschirme flimmerte! Die großen Favoriten der Kubaner, da sie ja selber bei diesem Turnier keine Mannschaft stellten, waren Italien, Holland, Deutschland und Brasilien. Und jedes Mal, wenn wir dachten, auf der Straße finge eine Gruppe gleich an sich zu prügeln, wurde nur über Fußball diskutiert, ganz freundschaftlich, aber sehr laut und vehement. Wir verfolgten die Partie gegen Ghana in „unserer“ Bar El Luzero, waren aber an diesem Tag die Einzigen, die die deutsche Mannschaft unterstützte.

 

Die netteste Atmosphäre in Havanna bietet der Malecón am Abend. Hier treffen sich alle zum Sonnenuntergang: Jung und Alt, knutschende Pärchen und Familien mit Kindern, Jogger, Touristen und Einheimische und klar sind die Verkäufer von Getränken und Knabbereien nicht weit. Hier findet man auch einen Ableger der bekannten Eisdiele „Coppelia“. Schon morgens bilden sich vor der Hauptfiliale Schlangen mit Schleckermäulern, die das Öffnen des riesigen Komplexes nicht erwarten können, um für wenige Peso National einige Kugeln leckerer Eiscreme mit einem (in Ermangelung an Sahne) mit Eischaum bunt verziertem Bisquit-Cremetörtchen zu verspeisen. Leider wird man dort als Tourist in einen gesonderten klimatisierten Bereich geführt, und muss die Eisbecher teuer mit CUC bezahlen. Mag die Auswahl am Malecón im „Coppelita“ auch eingeschränkter sein, zahlt man aber dort auch als Touri nur 3MN pro Kugel.

 

Natürlich unternahmen wir nach mehreren Wochen im Hochland von Mexiko ausgehungert nach Sand und Meer mit dem Touribus einen Ausflug zu den Playas del Este, der uns aber nur einen Vorgeschmack auf die sagenhaften Strände von Guardalavaca und Varadero geben konnte. Das wussten wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir auch dort noch landen würden.

 

PS: Der Lektor und Zensor meint, ich müsste auf jeden Fall noch erwähnen, dass die engen Uniformröckchen der Polizistinnen hier doch auffallend knapp geschnitten sind. Sei es aus Gründen der Stoffknappheit oder um das Auge zu entzücken, auf jeden Fall bringt es die allgegenwärtigen eigenartigen, schwarzen Netzstrumpfhosen mit komischen floralen Mustern noch besser zur Geltung.