Nicht nur die Nachrichten von den blutigen Studentenunruhen in Caracas im Mai veranlassten uns eine Abholung vom Flughafen zu buchen. Wir umgingen damit auch das Problem des Geldwechsels am Flughafen, um einen Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Choroní zu bezahlen. Denn nach wie vor bekommt man mit der Karte am Geldautomat oder in den staatlichen Wechselstuben nur den offiziellen Kurs, 6,50 Bolivares für 1 Dollar, wohingegen dieser auf dem Schwarzmarkt über das 10fache wert ist, aber Schwarzwechseln ist illegal und da kann man am Flughafen Pech haben und alle Devisen abgenommen bekommen.
Wir hatten uns noch in den letzten Tagen in Kuba ausgemalt, welche Restaurants in Choroní wir wieder besuchen wollten, wo den guten selbst gemachten Joghurt kaufen, die Torta de Auyama (Kürbiskuchen) genießen und die Schokocreme aufs Vollkornbrot des deutschen Bäckers streichen und wie wir den Caipirinha am Malecón schlürfen. Also ein bisschen wie heimkommen. Wir staunten dann nicht schlecht über die Preise: Nach nur 11 Monaten war alles doppelt so teuer (ok, WIR bekamen auch das doppelte für einen Euro, ich bezweifele aber, dass ein Venezuelaner jetzt das Doppelte verdient, jemand sprach von einer 40 prozentigen Lohnerhöhung, immerhin). Nur: die Regale im Supermarkt waren noch leerer geworden. Würde man alle „No Hay“ (Gibt's nicht) Artikel in ein Regal stapeln, wäre dieses das vollste. Es gibt keinen Kaffee mehr, Milchpulver bekommt man mit guten Beziehungen nur unter der Ladentheke für den zehnfachen Preis. Klopapier und Zahnpasta sind gerade wieder ausreichend vorhanden, dafür kein Shampoo, keine Windeln.....
Zum Ende unserer Reise hin hatten wir keine große Lust mehr, lange Strecken zurücklegen zu müssen, wollten aber noch ein wenig Neues sehen. Wir statteten Mochima und Los Roques einen Besuch ab (s. gesonderten Reisebericht) und wollten auf dem Rückweg noch die Colónia Tovar mitnehmen.
Auf dem Weg von Higuerote zur Colonia Tovar quer durch Caracas lotsten und hilfsbereite Venezuelaner vom Bus zur Metro und anschließend wieder zu den Bussen in die Berge. Dort oben auf 1800m siedelten sich im 19ten Jahrhundert deutsche Auswanderer aus dem Kaiserstuhl und Hessen an und einige der Nachkommen sprechen z.T. immer noch „Dialekt“, wie sie ihr deutsch bezeichnen. Es gibt Fachwerk (echt und aufgemalt) mit Blumenschmuck, Gartenzwerge, Laden- und Hotelschilder auf deutsch (nicht immer ganz korrekt ;-)). Das Dorf ist ein beliebtes Ausflugsziel v.a. am Wochenende für Caraceños und andere Venezuelaner. Uns zog das „Comida alemana“ an, deutsches Essen wie Würstchen, gutes Brot und Erdbeeren mit Schlagsahne. Das „rodillo de cerdo“ - direkt übersetzt das Schweineknie, eine Schweinshaxe aus dem Ofen, war köstlich, bessere muss man in Deutschland auch lange suchen, die Würstchen können mit denen daheim nicht mithalten. Wir suchten lange nach den Brezeln, die sich dann aber als Süße Stückle in Brezelform entpuppten. Leider hingen wir bei unserem Besuch in den Regenwolken und es war kühl, aber nicht unbedingt Mützen- und Handschuh-kalt wie die Vermummung der einheimischen Touristen vermuten ließe.
Ja, und dann wollten wir noch einen Tag in Maracay shoppen, in der Hoffnung mit unseren schwarz getauschten Bolivares günstiger an Markenklamotten oder Drogerie-Artikel zu kommen. Pustekuchen! Für gute Qualität zahlt man auch hier europäische Preise. Kurz am Stierkampfring vorbeigeschaut, dann wieder zurück nach Choroní, um unsere Auszeit dort ausklingen zu lassen.
Überraschung! Etwa 2km vor dem Ziel mussten wir aus dem Bus aussteigen und mit Rucksäcken bepackt vollends runter laufen, zurück zu Claudia ins „Casa Nova“. Warum war die Straße gesperrt? Für die Fischer aus dem Ortsteil Puerto Colombia am Strand, worauf wir uns auch immer beziehen, wenn wir von Choroni schreiben, war das Fass wortwörtlich übergelaufen. Die örtliche Sickergrube und die Pumpe zur Kläranlage waren eine Fehlkonstruktion (willkommen in Venezuela) und wenn die Kapazität für die Touristenmasse im Sommer einfach nicht mehr ausreicht, dürfen die Fischer am Hafen wohl immer wieder knöcheltief durch die Scheiße zu ihren Booten waten und das stank ihnen, im wahrsten Sinne des Wortes. Also versuchten sie durch Blockaden die Stadtverwaltung in Maracay auf die Situation aufmerksam zu machen. Am drauf folgenden Tag blieben alle Läden aus Solidarität geschlossen, immer wieder mal was Neues hier! Zwei weitere Tage später wurde abgepumpt, sie hatten Erfolg.